Sommerzeit = Liebeszeit. Bei mir zumindest häufen sich in diesen Monaten die Anfragen von Journalistinnen und Journalisten zum Thema Online Dating. Vielleicht liegt es auch am Sommerloch in den Nachrichtenredaktionen? Wer weiß.
Diesmal war es eine aktuelle Studie aus den USA, die die Aufmerksamkeit erregte. Beziehungen, die im Internet begonnen haben, seien stabiler und glücklicher, wurde da behauptet. Das war vielen deutschen Medien eine Meldung wert. Mich hat u.a. die dpa angefragt, der Bericht wurde dann an verschiedenen Orten aufgegriffen (Die Welt, Berliner Morgenpost, Amica…).
> Hier ein Radiointerview aus der Sendung “Forschungsquartett” von detektor.fm zum Anhören.
Was die zentrale Aussage der Studie betrifft, bin ich etwas skeptisch. Die gemessenen Unterschiede in der Beziehungsdauer und im “Marital Satisfaction Index” (so die wissenschaftliche Definition von “Glück”) sind sehr gering. Daraus abzuleiten, online angebahnte Beziehungen seien glücklicher als andere, erscheint mir doch sehr gewagt. Aber natürlich passt eine solche Feststellung gut in das Marketingkonzept von EHarmony – jenem Online-Dating-Anbieter, der tatsächlich hinter der Studie steckt, der aber in der Presseerklärung pikanterweise nirgends erwähnt wird.
Dennoch erscheint mir die Studie interessant. Methodisch ist sie recht sauber gemacht und die Publikation erfolgte in einem anerkannten wissenschaftlichen Journal. Insgesamt wurden fast 20.000 Personen (online) befragt, die in den USA zwischen 2005 und 2012 geheiratet haben. Rund ein Drittel gab an, den jeweiligen Partner bzw. die Partnerin im Internet kennengelernt zu haben. Dies ist eine wirklich erstaunliche Zahl die zeigt, dass das Netz heute weit mehr ist als eine Spielwiese für kurzfristige Affären oder One-Night-Stands. Vielmehr hat es sich auch für langfristige Liebesbeziehungen einen festen Platz neben den klassischen Orten des Kennenlernens wie Schule, Beruf oder Freundeskreis erobert. Und die Chancen auf eine glückliche Beziehung sind im Netz offenbar nicht kleiner als andernorts – vielleicht sogar geringfügig besser.
Bei der Interpretation der Ergebnisse muss man allerdings bedenken, dass die Studie recht spät im Beziehungszyklus einsetzt, nämlich bei der Heirat. Unsere eigenen Erkenntnisse zeigen, dass die größten Hürden einer Onlinebeziehung viel früher liegen. Sind diese Anfangsschwierigkeiten allerdings erst einmal überwunden, dann sehe ich keinen triftigen Grund, weshalb eine im Internet begonnene Beziehung weniger stabil und glücklich sein sollte als eine, die an einem anderen Ort ihren Ausgang genommen hat.
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